Leroy Bishop über Lastenradfahren in Detmold – Mobil im Wandel #1

Hi Leroy, kannst du erst mal erzählen wer du bist und was du hier in Detmold so machst?

Ja, ich bin Leroy Bishop, ja was mache ich so in Detmold? Der einzig schwarze Fleck in meinem Lebenslauf: Ich bin nicht in Detmold geboren, aber ich bin in dieser Stadt aufgewachsen und auch nie weg gewesen. Ich hab in Detmold studiert, bin hier vorher zur Schule gegangen, ich hab hier gearbeitet. Man kann sagen ich bin schon stark verwurzelt in dieser Stadt.

Und wie ist es dann dazu gekommen, dass du dir ein Lastenrad gekauft hast?

Also ich neige nicht zu Spontankäufen und google normalerweise sehr doll bevor ich mir auch nur einen Wasserkocher kaufe, aber bei dem Lastenrad war es tatsächlich sehr spontan. Ich bin 2017 an einem Radladen vorbei gekommen, wo dieses Lastenrad von Riese & Müller im Angebot war. Hab mich dann spontan verliebt – auch in die Idee damit Lasten zu transportieren. Man muss dazu vielleicht sagen, dass ich schon sehr, sehr radaffin immer war, das heißt auch sehr viele Fahrräder besitze. Auch teilweise relativ teure Fahrräder. Das Lastenrad hat dann damals doch nochmal so viel Geld gekostet, dass ich da eine Weile überlegen musste, aber nach eineinhalb Stunden fahren da mit dem Radhändler habe ich es dann tatsächlich spontan zerlegt in mein Auto reingepackt und nach Detmold mitgenommen. Und seitdem muss ich sagen, wenn ich mich entscheiden müsste zwischen einem Fahrrad – also was ich nur fahren müsste dann wäre es definitiv das Lastenrad, weil der Nutzwert einfach so unfassbar groß ist von dem Fahrrad.

Welche Vorteile siehst du da speziell bei dem Lastenrad?

Also es ist einfach so, einerseits wenn man Radfan ist oder so an der frischen Luft ist dann ist das eine tolle Sache. Man kann einfach viel mehr Strecken zurück legen. Jede Strecke die man sonst hätte mit dem Auto machen müssen, wie beim Einkaufen kann man halt mit dem Fahrrad erledigen. Aber auch aus ganz persönlichen Gründen. Ich sag immer so ein Lastenrad ist quasi wie ein SUV, nur als Fahrradversion. Das hat einen Elektroantrieb, fährt also sehr komfortabel. Man kann direkt bis vor die Tür fahren, dort parken, einkaufen gehen, Sachen ins Lastenrad schmeißen, die dann nach Hause fahren und ist meistens viel schneller und stressfreier natürlich als mit dem Auto unterwegs.

Was war so das ungewöhnlichste oder verrückteste was du bisher so transportiert hast?

Ja da möchte ich mal behaupten, dass ich wahrscheinlich die verrücktesten und ungewöhnlichsten Sachen transportiert habe, die man sich vorstellen kann mit einem Lastenrad. Das ging quasi von einem zwei Meter breiten Kühlschrank, wo mein Nachbar sagte „Ich habe einen VW Bulli, aber ich habe keine Lust die Sitze auszubauen. Kannst du diesen Kühlschrank für mich entsorgen?“ Und dann bin ich damit von mir Zuhause beziehungsweise von meinem Nachbarn bis zur AGA gefahren. Die haben auch einigermaßen große Augen gemacht, als ich den zwei Meter-Kühlschrank drauf hatte. Hatte aber tatsächlich den Vorteil, dass die Autofahrer dann auch wirklich gebührend Abstand halten, wenn der vorne schräg drauf liegt. Und ja das andere ist, dass meine Mutter leider schon verstorben ist und ich tatsächlich das Radfahren von ihr übernommen habe als Begeisterung und dann gesagt habe: Okay ich möchte nicht, dass die letzten fünf Kilometer oder zehn Kilometer mit einem Diesel-PKW zurückgelegt werden und da war die Urne von meiner Mutter vorne drin und ich bin mit dem Rad und Arbeitskollegen und Freunden von ihr von Detmold zum Friedwald gefahren, zur Beerdigung.

Stark!

Ja. Sonst gibt es auch noch profane Beispiele: Also ich transportiere regelmäßig einen Benzinrasenmäher, Kappsäge, Freischneider, in mehreren Lagen übereinander, natürlich immer möglichst gut gesichert. Aber da gibts glaube ich nichts was es nicht gibt. Da waren schon Erwachsene drin, Kinder… Ja, alles was man sich so vorstellen kann, was irgendwie da vorne drauf passt auf die Ladefläche.

Super! Wie oft fährst du denn dann überhaupt noch Auto?

Also erst mal möchte ich sagen, obwohl das vielleicht so rüber kommt, wenn man mich nicht so genau kennt und denkt der Leroy ist so ein fanatischer Radfahrer: Ich besitze tatsächlich ein Auto und ich finde Autos auch sehr praktisch. Ich besitze einen großen Opel Combo, wo man übrigens nebenbei bemerkt auch drei Fahrräder reinkriegt. Das ist auch sehr praktisch. Aber ich finde Autos einfach unfassbar praktisch, wenn man zum Beispiel von einer Stadt zur nächsten fährt. Da ist auch gar nichts gegen einzuwenden aus meiner Sicht. Ich fahre jetzt ein Erdgasauto, auch noch kein Elektroauto, aber was ich halt nicht einsehe oder auch von der Nutzung der meisten Menschen einfach nicht nachvollziehen kann ist einfach dieses 5 Kilometer in der Stadt von A nach B fahren. Weil es nützt keinem was, man selber… – ja auf englisch gibt’s so einen Spruch der heißt irgendwie „Burn your fat and save your money“ und das Auto macht das halt nicht. Das macht dann halt dick und kostet viel Geld. Also im Stadtverkehr kann ich nicht nachvollziehen, dass so wenig Leute mit dem Fahrrad fahren. Das frage ich mich irgendwie jeden Tag. Aber…das Auto fahre ich vielleicht einmal die Woche. Und um zur Kernfrage zurück zu kommen: Das Fahrrad fahre ich sieben Tage die Woche. Also…ich würde sagen ich fahre vielleicht auch zweimal die Woche Auto, weil ich teilweise schwere Sachen zu transportieren habe und mit einem Anhänger fahren muss. Und sagen wir…ja sechs Tage die Woche mit dem Fahrrad.

Okay wenn man sich Gedanken gemacht hat und überlegt, ja so ein Lastenrad das wäre praktisch…also wenn man anfängt zu überlegen „Ja das wäre was für mich“ – was würdest du diesen Leuten für Tipps geben? Also wo kriegen sie zum Beispiel Informationen oder was kannst du für Tipps geben welches Lastenrad für die Leute passen könnte?

Ja das ist natürlich eine schwierige Frage, weil der erste Punkt wird natürlich immer dann sein, wenn man das Preisschild liest. Weil da die meisten Leute sagen „Upps, dafür bekomme ich ja ein Auto“. Und ich muss teilweise auch sagen, dass das Rad von der Marke die ich fahre, Firma Riese & Müller, die relativ bekannt ist, natürlich auch Premiumräder zu Premiumpreisen verkauft und so ein Lastenrad bis zu – nicht erschrecken – siebeneinhalb tausend Euro kosten kann und dann sage ich mir selber auch das ist wirklich sehr, sehr viel Geld. Ja in dem Zuge muss man auch mal sagen dass es wirklich schade ist, dass aktuell Privatpersonen in Deutschland keinerlei Förderung mehr bekommen für die Anschaffung eines Lastenrades und wenn man sich ein Elektroauto kauft dann kann man bis zu sechstausend Euro Förderung bekommen.* Das ist schade, aber die Realität. Aber auch da zurück zur Kernfrage: Ich würde zuerst im Internet gucken. Wovon ich abraten würde – auch wenn es natürlich viel günstiger ist – ist sich ein Lastenrad ohne Elektroantrieb zu holen, weil man halt auch als sportlicher Radfahrer – wo ich mich auch einsortieren würde – beim ersten Berg halt wirklich Schwierigkeiten bekommt. Das heißt wenn man jetzt wirklich nur in der Stadt wohnt und rund herum alles flach ist dann mag das gehen. Aber sobald es nach Hiddesen hoch geht oder… ich wohne hinterm Palaisgarten… dann hat man absolut keine Chance weil so ein Rad selber schon 35 Kilo wiegt. Also die Wahrheit ist: Man muss leider tatsächlich mit viertausend Euro aufwärts rechnen für ein gutes E-Lastenrad. Und ich würde immer im Internet als erstes gucken. Sonst gibt es hier in Detmold natürlich noch – oder in Lage – die Firma Hempelmann, die Lastenräder auch vorrätig hat, die man sich so anschauen kann. Hier in Detmold – die Firma Neuwohner verkauft sehr viele Elektrofahrräder, wobei ich nicht weiß wie groß da die Lastenradauswahl ist.

Wie teuer war dann dein Lastenrad?

Mein Lastenrad hat damals 4000 Euro gekostet. Weil es noch eine Version von 2016 war, allerdings auch mit Zubehör. Listenpreis wäre damals auch schon 5500 Euro gewesen mit dem Zubehör. Und ich habe es 2017 wie gesagt gekauft und es war ein Vorjahresmodell. Es hat noch diesen alten Elektromotor. Wer sich damit auskennt: Den Bosch Classic Motor…der auch schon leider einmal kaputt war. Ich bin mit dem Rad übrigens schon um die zehntausend Kilometer gefahren.

Krass.

Ja, der Interviewer sagt „Krass“ aber ich finds gar nicht so viel fürs Fahrradfahren. Aber es liegt daran, dass es hauptsächlich in der Stadt unterwegs ist, wobei man sagen muss, dass ich persönlich mit dem Rad auch schon mal in Bielefeld war, was ich sonst eher als Rennradtour machen möchte. Und man kann mit dem Rad unter sportlicher Fahrweise in einer Stunde und ein bisschen es nach Bielefeld schaffen. Wenn ich jetzt überlege: Das mit dem Auto, Parkplatzsuche…dann bin ich auch 50 Minuten unterwegs, oder 45. Das ist gar nicht so ein großer Unterschied auch wenn man den Umkreis halt größer macht. Also man muss sich jetzt nicht vorstellen, dass man mit dem Lastenrad nur in der Stadt unterwegs ist. Man kann damit selbstverständlich auch große Touren machen, Picknick machen, sein Kind vorne rein setzen. Das ist einfach das tolle am Lastenrad: Es ist einfach unfassbar flexibel. Und wenn ich zum Beispiel Wasserkisten kaufe – wobei ich jetzt einen Sprudler habe…ist ökologischer – oder ich kaufe Bier, oder ich bringe Wäsche zu meinen Airbnb Apartments, was ich nebenbei mache, dann mache ich das alles mit dem Lastenrad. Oder ich kann es zumindest mit dem Lastenrad machen. Früher musste ich immer das Auto dafür nehmen. Es gibt halt wenig Sachen für die man dann noch ein Auto braucht, wenn man ein Lastenrad hat. Ich denke mal der normale Mensch sowieso nicht.

Also du hast auch Kinder? Oder ein Kind?

Ja, ich habe mehrere Kinder. Genau.

Okay, also ist es durchaus auch familientauglich?

Lastenräder sind eigentlich das Familiending überhaupt. Also grad wenn man irgendwie, ich sag mal wenn man zwei Kinder hat und das eine fährt schon alleine, das andere sitzt vorne im Lastenrad drin. Es gibt Babyschalenaufsätze für Lastenräder, wo man schon Maxi Cosi vorne reinhängen kann. Meins hat auch einen Kindersitz selber, wo dann zwei kleine Kinder nebeneinander sitzen können, auch angeschnallt ganz normal. Wenns dann darum geht Leute so mitzunehmen, kann man natürlich auch die etwas riskantere Version nehmen. Jetzt bei Erwachsenen sage ich mal, dass wenn man abends mit seinen Freunden unterwegs ist und es setzt sich jemand auf eine kleine Kiste und man fährt von Kneipe A zu Kneipe B. Was natürlich auch immer einigermaßen für Stimmung sorgt. Aber man kann natürlich auch ganz vernünftig als Familie damit unterwegs sein. Das ist eigentlich eine super Sache.

Wie zufrieden bist du mit der Fahrradinfrastruktur hier in Detmold?

Sehr unzufrieden! Wobei man da auch ehrlicherweise sagen muss, dass Radfahren auch eine psychologische Komponente hat. Das heißt viele Menschen trauen sich halt nicht auf der Straße zu fahren, obwohl es aus statistischer Sicht und auch aus meiner Erfahrung aus den letzten Jahrzehnten auf der Straße einfach viel sicherer ist, weil die Leute einen sehen. Die möchten lieber auf Radwegen fahren, aber die Radwege sind in der jetzigen existierenden Form, die auch in Detmold eigentlich unverändert seit…ja dreißig Jahren sind, einfach viel zu gefährlich. An allen Überwegen, Straßenkreuzungen, dort wird man sehr leicht übersehen. Man müsste schon sehr viel Geld in die Hand nehmen meines Erachtens, um zum Beispiel Protected Bike Lanes zu bauen, die dementsprechend mindestens genau so sicher wären, wie auf der Straße zu fahren. Ich fahre bewusst sehr oft auf der Straße. Man wird dann natürlich auch angefeindet, aber das ist eine bewusste Entscheidung und wenn Radwege zum Beispiel berghoch führen und man sehr langsam fährt oder an speziellen Stellen benutze ich natürlich auch die Radwege. Aber persönliche Sicherheit geht mir immer vor der beliebteste Radfahrer in Detmold zu sein, sage ich jetzt mal.

Was würdest du dir wünschen was die Stadt in Zukunft macht um die Infrastruktur zu verbessern?

Also ich persönlich gehöre zu den zwei Prozent der Radfahrer – wie ich jetzt gelernt habe durch eine Veranstaltung von euch – die einfach unerschrocken sind. Wenn man dann an seine Kinder denkt dann denkt man schon ganz anders natürlich. Die möchte man dann nicht direkt in den Verkehr rein schicken. Ja dieses Thema der Protected Bike Lanes, dass man wirklich konsequent neue sichere Radwege baut, die den Straßen ebenbürtig sind und auch auf der Sichtachse der Verkehrsteilnehmer liegt – der Autoteilnehmer sag ich jetzt mal, also des Kraftverkehrs. Leider sieht die Realität so aus, dass das bisschen Geld was verbaut wird dann darin mündet wie zum Beispiel beim neuen Parkplatz des Leopoldinums, wo dann der Radweg in die Bushaltestelle mündet, die Lichtzeichenanlage in der Mitte von Rad-und Fußweg ist und man dann eine Verkehrsraumbreite hat von vielleicht einem Meter um dann ganz klassisch auf diesen – ich nenne es mal zurückspringenden – Radüberweg zu kommen von dem ich persönlich gar nichts halte. Den gibt es seit zwanzig Jahren, oder seit vierzig Jahren zum Beispiel an der Hornsche Straße beim Johannettental, wer das kennt und da bin ich persönlich, weil ich in Remmighausen aufgewachsen bin auch schon mehrere Male fast überfahren worden. Ja und es gibt einen großen Fond auf Bundesebene habe ich gelesen, der von den Kommunen zu einem Prozent abgezapft wurde. Also es fehlt da wahrscheinlich auch einfach die Phantasie. Und was mich richtig sauer macht ist…wenn man zum Beispiel diese Mini-Bordsteinkanten am Lippischen Hof oder am neuen Rewemarkt ist das noch schlimmer verbaut worden.

Für die Blinden? Die Blindenstreifen?

Joa, ich glaube die Blinden haben noch eine eigene Inschrift auf dem Boden, die man ertasten kann aber das ist zumindest die Markierung, damit man weiß auf welcher Seite der Fußgänger und auf welcher Seite der Radfahrer zu laufen hat. Wobei man sagen muss den Fußgänger kümmert das wahrscheinlich auch in 20 Jahren nicht, welche Seite er benutzt ob es nun flach oder mit einer kleinen Kante ist. Aber das benachteiligt nicht nur Radfahrer sondern auch Rollatorfahrer, Rollstuhlfahrer,…ja alles was zwei Rollen hat, davon gibt es ja nicht so wenige. Auch Kinderwagen. Und als Radfahrer ist es dadurch noch gefährlicher die Straße zu kreuzen. Viele Leute fahren einfach an der Verkehrsinsel vorbei. Zum Beispiel beim Rewemarkt fährt man einfach links an der Verkehrsinsel vorbei. Das wird bestimmt auch viel Geld und Bauaufwand verursachen und hat absolut null Mehrwert. Ich weiß nicht wer sich sowas ausdenkt.

Jetzt gab es ja in letzter Zeit einige Städte, die Wege gegangen sind und diese temporären Protected Bike Lanes eingerichtet haben, mit Warnbaken, wo quasi einfach einzelne Fahrspuren in Fahrradwege umgewandelt wurden. Was hältst du davon?

Finde ich eine gute Aktion auf jeden Fall, weil es eine gewissen Öffentlichkeitswirkung hat. Also das heißt nicht nur in der Stadtplanung von Detmold ist wahrscheinlich die Phantasie begrenzt was die Fahrradinfrastruktur angeht, sondern vielleicht kommt das Thema auch gar nicht bei der breiten Bevölkerung so an. Also ich habe das Gefühl, dass die Menschen sehr gespalten sind. Also die Autofahrer sagen „die Stadt kämpft gegen uns weil jetzt inzwischen überall Tempo 30 ist.“ Wobei man sagen muss das ist ja auch eine EU-Richtlinie, sonst wäre das ja wahrscheinlich auch noch nicht in zehn Jahren gekommen in Detmold. Und dadurch entwickelt sich so ein Flickenteppich: Fünfzig, dreißig, fünfzig, dreißig. Und die Radfahrer haben das Gefühl, ja mich eingeschlossen: „Die Stadt tut eigentlich nichts weil keine neuen Radwege gebaut wurden. Also wenn ich nachdenke fällt mir nur die Elisabethstraße ein, wo der Radweg vernünftigerweise aus meiner Sicht auf die Straße verlegt wurde und wo Tempo 30 ist jetzt. Aber es werden keine Protected Bike Lanes oder keine neuen Sachen beschlossen. Das einzige was halt ist, ist dieser querende Radweg in…ja mir fällt jetzt die Kreuzung leider nicht ein. Bielefelder Straße beim Mix Markt.

Ach ja, da wo man quer über die Kreuzung rüber fährt?

Ja genau beim Mix Markt. Da hat mal jemand Phantasie gehabt. Ist auch das einzige was mir leider hier einfällt in der Region.

Stimmt, das hatte der Herr Koopmann bei der Veranstaltung auch angesprochen.

Ja genau. Und um nochmal eine ganz große Phantasie von mir auszusprechen: Also ich weiß dazu gäbe es wahrscheinlich nie die politische Mehrheit, aber ich kann aus meiner tiefsten Überzeugung sagen: Am einfachsten und billigsten und aus meiner Sicht auch am sichersten wäre es einfach in der Stadt generell Tempo 30 einzuführen. Tempo 30 – das neue 50. Dann würde das Individuum im Auto vielleicht langsamer voran kommen, mag sein. Aber der Verkehrsfluss würde sich erhöhen für alle Verkehrsteilnehmer, die Radfahrer würden sich vielleicht irgendwann mal auf die Straße trauen, es würde weniger Kollisionen geben an Kreuzungen. Wir müssen nicht so unfassbar viel Geld in neue, perfekte Radwege investieren. Es hätte eigentlich einfach nur Vorteile und selbst wenn es mal zu einem Unfall kommt, dann sind die Unfallfolgen natürlich viel viel geringer bei Tempo 30 als bei Tempo 50. Haben Länder wie Schweden längst erkannt aber wir Deutschen diskutieren glaube ich nur über den neuen Punktekatalog für Autofahrer.

Ja oder wie aktuell, dass man wenn man 20 Kmh zu schnell fährt, dass man dann halt einen Monat Fahrverbot kriegt.

Ja, genau das meinte ich.

Es gab ja auch vor kurzem den Antrag von der Deutschen Umwelthilfe, dass auch hier in Detmold Tempo 30 flächendeckend eingeführt werden sollte.

Also ich wäre der Erste der dafür wäre. Man kann auch gerne die Pedelecgrenze auf Tempo 30 erhöhen dann hätte man quasi für alle Chancengleichheit. Ich weiß auch nicht warum man als Autofahrer belohnt wird in der Stadt Auto zu fahren. Es ist eigentlich eine Belohnung des Individuums, dass man mit dem Auto schneller fahren darf als wenn ich jetzt zum Beispiel das Rad nehme. Aus meiner Sicht. Mag sich radikal anhören aber…

Ja, das ist ja auch vernünftig.

Ja gut ich meine wir reden jetzt auch in bestimmten Kontexten. Aber ich denke was der normale Bürger jetzt sagen würde. Der würde wahrscheinlich sagen. „Die spinnen doch die Ökos.“

Was sind deine Ideen dafür, wie man das in die breite Masse tragen könnte? Also die Vorteile des Fahrradfahrens.

Ja das ist wirklich eine schwierige Frage. Ich fahre ja schon so unfassbar lange Fahrrad. Ich bin schon Radfan seit Ewigkeiten und klar gibt man das privat immer weiter und erzählt welche tollen Vorteile das hat. Ähm… ich bin da auch ein bisschen ratlos muss ich sagen. Es gibt auch so Sachen die muss man einfach testen. Also es gibt Leute, die fahren Jahrzehnte lang Auto und finden Radfahren generell total dumm und dann kaufen sie sich irgendwann mal ein E-Bike und schmeißen die Kiste aus dem Keller weg, die dreißig Jahre alt ist mit einem Platten und können sich dann ein halbes Jahr später gar nicht mehr vorstellen wie es ohne war. So ähnlich ging es mir mit dem Lastenrad ja quasi auch. Der Mensch ist halt komisch. Das muss ich keinem erzählen der Psychologie studiert. Das ist halt wirklich schwierig. Vielleicht könnte man Veranstaltungen machen natürlich auf dem Marktplatz mit Lastenradprobefahren. Vielleicht solche Sachen. Ich muss allerdings auch dazu sagen, dass ich jetzt nicht so der Vereinsmensch bin und auch einfach das für mich selber genieße – diesen Lastenradlifestyle möchte ich es mal nennen. Ich bin da halt auch nicht so missionarisch. Also für die Gesellschaft wünsche ich mir das natürlich und für unseren Planeten, weil ich auch die Vorteile sehe für alle Beteiligten…für die Umwelt, für die Menschen selber, für das Miteinander auf den Straßen aber ich privat genieße es auch einfach schnell von A nach B zu fahren. Da bin ich den Autofahrern wahrscheinlich ein bisschen ähnlich nur, dass ich gerne schnell Rad fahre. Und die Vorstellung jetzt auf Protected Bike Lanes drei Leute mit Lastenrädern vor mir zu haben und ich komme nicht vorbei nervt mich wahrscheinlich genau so wie die Vorstellung des Autofahrers jetzt Tempo 30 fahren zu müssen und ich komme nicht an den Radfahrern vorbei. Das ist halt… ja Abwägungssache. Die Hybris des Menschens. (lacht)

Also ist das Lastenrad auch ein Stück weit ein Statussymbol für dich?

Oh, schwierige Frage…Statussymbol. Also jetzt nicht ein Statussymbol dass ich sage: „Guck mal mein Fahrrad hat 5000 Euro gekostet“ – wenn ich es mit Vollpreis gekauft hätte, habe ich als Lipper natürlich nicht (lacht). Ich habe auch noch andere teure Räder die ich wirklich toll finde, aber es ist einfach so eine Art Lifestyle. Also mir gefällt zum Beispiel auch, dass mein Opel Combo gebraucht 2000 Euro gekostet hat und fast günstiger war als das günstigste Fahrrad was ich besitze. Also es geht nicht darum zu sagen es ist irgendwie ein Statussymbol, aber es geht einfach darum: Diesen Lifestyle mag ich halt schon. So wie ich auch in Radfahr-Jacke rumlaufe. Ja, also da ist dieser Kontext. Ich mag diesen ganzen Lifestyle was mit Rad fahren zu tun hat und lebe das halt auch.

Super! Vielen Dank!


*In einzelnen Kommunen gibt es Lastenradförderung. Hier gibt es Infos zur Situation in NRW.

Interview: Christian Bange

Quelle der Fotos: Leroy Bishop

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